MaRs schrieb:
Vergessen sollte man es nicht, aber es sollte auch nicht jeder wegen einem Furz gleich als Nazi beschimpft werden, so wie das hier teilweise der Fall ist.
Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ein geistig minderbemittelter Mitläufer von "Negern" redet oder die Zeit des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland glorifiziert oder die lausige Ermordung von Millionen von Menschen verharmlost...
... oder ob ein halbwegs gebildeter, reflektierender deutscher Bürger über sich und den Stand Deutschlands nachdenkt und dabei versucht eben diese Fragen aus einer historisch nötigen und auch noch vetretbaren, also möglichen, Entfernung zu betrachten.
Beides ist eine gewisse Form von "Abstand". Der eine Abstand ist der eines tumben ewig gestrigen, nix dazulernen wollenden, ungebildeten Vorstadt-Schuljungen, der halt auch schon mal die Bomberjacke anzieht und mit seinen Kumpels einen dicken Arm macht.
Der andere Abstand wägt ab und schätzt die Lage damals aus heutiger Sicht neu ein und versucht eine, für sich praktikable, Anschauung und Lösung zu finden.
Beide Lager sind hier vertreten. Ersteres mehr, letzteres weniger.
Wie so oft versucht die Dummheit und Verblendung lauthals zu siegen, mit dem Rückzug auf den Vorwurf der Überbewertung von "ach so harmlosen" Bemerkungen wie "Neger" oder der bewussten Unterschätzung von Ereignissen wie dem im Mai 1944 am Turchino-Pass bei Genua.
Der SS-Offizier Engel war verantwortlich für den Tod von 59 Menschen. Vor fast 59 Jahren. Er ist verurteilt und gefasst. Alleine das zählt. Für die Hinterbliebenen, für uns Deutsche und nicht zuletzt für Engel selbst. Der fühlt sich jetzt als "gefasst" und "bestraft", als "aufgedeckt". Alle Welt, weiss jetzt von Engel. Alle Welt hat jetzt ein Gesicht dazu. Und alle Welt weiss: Wieder einer, der nicht davongekommen ist. Wieder einer, der ein Gesicht zeigen muss, dass den Hinterbliebenen hilft an Gerechtigkeit zu glauben. An Gerchtigkeit in Deutschland.
Hätten wir mehr Gesichter von Tätern gesehen und wäre "die Nazizeit" nicht nur ein Mann, der Herr Hitler nämlich, dann wären Mitläufer, Folgetäter, Parolen nachbetende Dummköpfe weniger. Viel weniger.
59 Mann. In 6 Reihen hintereinander. 10 in jeder Reihe. Vor einem Schlammloch. Den Hinrichtern in die Augen sehend. Erste Reihe erschossen. Alle 10 fallen ins Loch. Zweite Reihe rückt vor. Die nächsten 10 sehen ihre Kameraden im Schlammloch. Übereinander. Kreuz und quer. Leblos. Blutig. Zerrissen von den Geschossen. Gewehrsalven. 20 Mann im Loch. Im blutigen Schlammloch. Nächste Reihe tritt vor. Auch sie sehen die Kameraden im Loch. Wissen, dass sie gleich dabei liegen. Tot. 59 Mann mit Familien. Mit Kindern. Mit Eltern. Die sich alle ein Leben lang fragen: Warum? Und wer? Der 59te fällt und die Grube wird zugeschüttet. Im Mai 1944.
Und glaubt mir: Am Tag der Urteilverkündung von Engel waren mehr Tränen des Schmerzes, als das Gefühl von "Jetzt haben wir ihn!" bei den Hinterbliebenen. Denn im Gegensatz zu (immer noch) vielen Deutschen haben die Hinterbliebenen von damals gelernt mit dem Leid zu leben. Und daraus für ihr Leben zu lernen.