Microsoft: Nur für Deutsche kein Kopierschutz
Von Henry Lübberstedt, Hamburg
In der geplanten Windows-Version (Codename Whistler) soll ein Kopierschutz die Installation des Betriebssystems auf mehreren Rechnern verhindern. In Deutschland allerdings zögert Microsoft mit der Einführung der Technik: Die PC-Nutzer hierzulande gelten bei der US-Firma als besonders aufsässig.
"Whistler" wäre das erste Windows, bei dem Microsoft mit technischen Mitteln den Bestimmungen des Lizenzvertrages Nachdruck verleihen würde. Der besagt, dass das jeweils erworbene Betriebssystem auschließlich auf einem einzigen Computer installiert werden darf. Dies soll in den kommenden Windows-Versionen ein so genannter Aktivierungsschlüssel sicherstellen. Der Kunde erhält mit dem Programm einen Produkt-Schlüssel, eine Kombination aus Zahlen und Buchstaben. Diesen Schlüssel muss er Microsoft mitteilen und zusätzlich die Seriennummern seiner Hardware wie Prozessor und Grafikkarte angeben. Microsoft erzeugt aus den Daten einen nur für den jeweiligen Computer geltenden Aktivierungsschlüssel, mit dem die neue Windows-Version freigeschaltet werden kann.
Dieser Mechanismus ist bereits in der frühen Beta-Version von "Whistler" eingebaut und soll nach den Angaben von Microsoft höchstwahrscheinlich auch Eingang in das fertige Programm finden. Microsoft begründet das Schlüsselverfahren mit der steigenden Verbreitung von Raubkopien. So soll die Rate der illegal eingesetzten Software in Europa durchschnittlich bei 36 Prozent liegen. Spitzenreiter ist Griechenland, hier kommen auf zehn Programme rund neun Raubkopien. In Deutschland liegt die Rate bei 27 Prozent.
Zustimmung vor allem in den USA
Derzeit erkundet der Softwarehersteller in Tests, wie die Kunden auf Anti-Raubkopie-Technik reagieren. Vor allem in den USA soll das System den Angaben zufolge gut ankommen. In Deutschland allerdings zögert die Softwareschmiede, das System überhaupt in Windows einzubauen – auch wenn es Ende 2001 international zur Grundausstattung gehören sollte.
„Die deutschen PC-Besitzer gehören bei uns zur Kategorie \'besonders kritisch\',“ sagte Microsoft-Sprecher Tomas Jensen der Online-Ausgabe der Financial Times Deutschland. Sollte es tatsächlich deutlich schwerer werden, eine MS-Windows- oder MS-Office-Kopie auf unterschiedlichen Computern zu installieren, fürchtet der Konzern Umsatzeinbußen auf dem lukrativsten Software-Markt in Europa. Die Deutschen gelten bei der Verwendung von alternativen Programmen als besonders aufgeschlossen. IBM konnte 1994 sein Betriebssystem OS/2 Warp vor allem in Deutschland gegen das damals lediglich angekündigte Windows 95 etablieren. Auch bei dem kostenlosen Betriebssystem Linux zählt Deutschland im internationalen Vergleich zu den aktivsten Märkten.
Der schärfste Konkurrent für Microsoft ist indes Microsoft selbst. Je höher die Einstiegshürde für die neue Windows-Version, desto länger werden die Kunden bei der alten Ausgabe bleiben und desto weniger Geld verdient Microsoft. Der neue Kopierschutz könnte diese Schwelle zu weit erhöhen, meint Microsoft Deutschland. Denn anwenderfreundlich ist das Sicherheits-System nicht: Ein neuer Aktivierungsschlüssel wird bereits erforderlich, wenn beispielsweise eine neue Grafikkarte oder eine größere Festplatte eingebaut werden. Ansonsten verweigert Windows nach 50 Tagen seinen Dienst.
© 2001 Financial Times Deutschland