Ich bin ein waschechtes Kind des Ostens. Und mit meinen 26 1/2 Jahren bilde ich mir ein, lange genug im Osten gelebt zu haben, um mitreden zu können (@Cornelius)

Wie (fast) alle Kinder in der ehemaligen DDR habe ich eine steile sozialistische Karriere hinter mir. Bereits frühzeitig wurde mir vermittelt, wo der Klassenfeind sitzt und wo die aufrechten Streiter für Frieden und Sozialismus. Somit war mein weiterer Lebensweg bis in alle Einzelheiten verplant. Mit 6 Jahren (anno 1981) wurde ich eingeschult. Bereits in der 1. Klasse, ich war mitlerweile 7, wurde ich ein "Junger Pionier". Das war schön. Man war etwas! Weißes Hemd und blaues Halstuch. Die Jahre vergingen, aber die sozialistische Erziehung wurde weiter vorangetrieben. Mit dem stolzen Alter von 10 Jahren konnte ich endlich das blaue Halstuch gegen das rote eintauschen. Nun war ich ein Thälmannpionier. Thälmann, der Held unserer Jugend, ein aufrechter Streiter und Glatzenträger.
Bereits ein Jahr später erfolgte das nächste spannende Ereignis. Ich war bereits auf dem Weg nach oben in der 5. Klasse angelangt. Endlich konnte ich die Sprache unserer Sovjetischen Befreier, Beschützer, Freunde in einem Wort unserer Brüder erlernen, Russisch. Zu meinem Bedauern muß ich gestehen, dass meine Kenntnisse z.Z. eher fragmentarisch sind.

Wiederrum vergingen die Jahre und in der 7. Klasse war es dann soweit. Aus dem "Seid bereit - immer bereit" wurde "Freundschaft". Die Kenner erahnen es bereits. Jawohl, ich durfte das rote Halstuch ablegen und gegen ein Blauhemd (hängt immer noch in meinem Schrank, ob ich noch reinpasse? ich bezweifle es) austauschen. Nun war ich wer, jetzt war ich bei den "Großen". Dort wo das Leben war. Ich gehörte dazu. Ich war nun ein Mitglied der FDJ (Freie Deutsche Jugend). Bereits im Namen "Frei" ist zu erkennen, wo unsere Ideale waren. Wir waren frei vom Kapitalismus, Nationalismus, Imperialismus, Faschismus, Militarismus und anderen Ismusses. Jetzt begann auch für mich ein weiterer Lebensabschnitt. Nun wurde die Antifaschistische Erziehung ihrem vorläufigen Höhepunkt mit Vehemens (sp?) entgegengetrieben. Und das gipfelte in einem neuen Unterrichtsfach: Staatsbürgerkunde, auch Stabi bzw. Stabü genannt. Ich danke noch heute meiner ehemaligen Pionierleiterin und Lehrerin für Staatsbürgerkunde, dass ich unter ihrer Anleitung vollends über die Verhältnisse in der Welt aufgeklärt wurde. Nun wurde ich vorbereitet auf den Ernst des Lebens, auf den Real Existierenden Sozialismus. Aber dieses Fach war nicht alles in meiner Karriere. Bereits ein Jahr später hatte ich Jugendweihe. Und zu meiner Zeit, verdiente das Wort noch was es war. Kein ödes Geldabkassieren. Nein! Wir wurden zu jungen sozialistischen Staatsbürgern ernannt. Zu diesem Zwecke legten wir unseren Eid auf Frieden und Sozialismus ab. Nach den Formalien kam dann der schöne Teil, nun wurde Geld abkassiert.

Nach der Jugendweihe war nichts mehr wie zuvor. Fortan wurden wir gesiezt.
Bereits ein Jahr später sollte ein weiteres Kapitel aufgeschlagen werden. Es war im Herbst 1989. Nun sollten Taten geschehen. Jetzt war es Zeit für unsere Vormilitärische Ausbildung. Aber leider kam die Conterrevolution dazwischen. Nix mit militärischer Ausbildung mehr. Nix mit Staatsbürgerkunde mehr. Statt dessen Sport. Unser neuer Staatsbürgerkundelehrer war gleichzeitig Sportlehrer. Und da der Stundenplan feststand, war es nichts leichteres als dass er das Fach einfach wechselte.
Wie ihr seht, war meine sozialistische Karriere in diesem Moment vorbei. Die DDR war am Ende...
Zum Thema:
Cornelius hat recht.-Viele von euch waren damals zu jung, um eine eigene fundierte Meinung abzugeben. Selbst ich war zu jung, um wirklich alle Einzelheiten zu verstehen. Meine Eltern waren weder in der SED, noch waren sie Widerstandskämpfer. Sie haben sich eben bemüht, ihr eigenes Leben zu leben. Und mich konnten sie von allem fernhalten. Da sie beide sehr fleißg waren, konnten sie ihr eigenes Haus kaufen. Und mit viel Fleiß und privatem Engagemant haben sie versucht mit den Tücken der Mangelwirtschaft fertig zu werden.
Zu diesem Ost West Konflikt. Ich weiß nicht wo das Problem liegt. Es gab von je her ein Problem zwischen den deutschen Landsmannschaften. Und dass wir Ossis nun in die Bundesdeutsche Gesellschaft hinzukamen, ist für mich eine Bereicherung für beide Seiten. Sicherlich ist es ein Problem, wenn unterschiedliche Wertevorstellungen und 40 Jahre getrenntes Leben auf ein ander stoßen. Und was gibt es schöneres, wenn man seine Vorurteile bestätigt sieht.
Ich habe keine Probleme mit den Wessis. Alle Leute, die ich kennengelernt hab, sind vernünfzige Menschen. Und Idioten gibts überall. Ein weiteres ist, dass jeder Goldrausch von Wegelagerern, Halsabschneidern und niederem Gesinde angelockt wird. Und da wir Ossis keine Erfahrung mit der kapitalistischen Wirtschaft hatten, haben wir uns natürlich öfters kräftig über den Tisch ziehen lassen.
Zum West-Ost-Gefälle: Sehe ich nicht so. Es gibt eher ein Süd-Nord-Gefälle. Und dass im Osten mehr Arbeitslose rumlaufen, hat auch ein bisschen mit unserer Vergangenheit zu tun. So traurig es klingen mag, aber es ist auch ein Teil der Wahrheit, dass in der ehemaligen DDR, die Frauen alle erwerbstätig waren. Und die sind jetzt sehr oft arbeitslos und auch so gemeldet. Das ist im Westen wohl anders. Da gibts auch viele (Haus)Frauen ohne Arbeit. Aber die sind nicht bei den Arbeitsämtern gemeldet. Und wo keine Meldungen, da auch keine Arbeitslosen. Das hat doch schon mal vor einiger Zeit eine Sächsisch-Bayrische Kommission festgestellt und dann vorgeschlagen, dass sich die ostdeutschen arbeitslosen Frauen nicht mehr bei den Arbeitsämtern registriert sein sollen. "Tolle Idee" sag ich nur. Man beseitigt die Arbeitslosenzahlen nicht indem man neue Jobs schafft, man diskutiert sie weg. Es lebe die Statistik!!!