Koch entschuldigt sich für Judenstern-Vergleich
Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat einen heftigen Tumult im Wiesbadener Landtag verursacht. Der CDU-Politiker verglich den derzeitigen Umgang mit Reichen in Deutschland mit der Stigmatisierung von Juden im Dritten Reich. Inzwischen entschuldigte sich Koch dafür.
Wiesbaden - In der Debatte um die Einführung einer Vermögensteuer seien die Reichen zu Menschen "mit so einer neuen Form von Stern an der Brust" gemacht worden, sagte Koch am Donnerstag hörbar erregt in einer aktuellen Stunde des hessischen Landtages.
Es sei eine "schlimme Parallele zu anderen Zeiten", wenn Reiche als Schmarotzer der Gesellschaft stigmatisiert würden. Nach Kochs Äußerung brachen im Landtag Tumulte aus. Oppositionsabgeordnete werteten die Aussage als Anspielung auf den in der NS-Zeit eingeführten Judenstern. Die Sitzung wurde daraufhin unterbrochen.
Koch richtete sich mit seiner Bemerkung gegen den Ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske, der im Fernsehen die Namen reicher Bürger genannt hatte, die von einer Vermögensteuer betroffen wären. "Hören Sie auf damit, Menschen vorgaukeln zu wollen, das betrifft nur ein paar Reiche. So wie Herr Bsirske es im Fernsehen gemacht hat: Dass er anfängt, von Menschen die Namen zu nennen mit so einer neuen Form von Stern an der Brust", sagte Koch wörtlich.
Später entschuldigte sich Koch für die Äußerung und sagte, er habe sich in der emotionalen Debatte "vergaloppiert". Er akzeptiere, dass der Begriff Stern Assoziationen zur Politik der Nationalsozialisten erwecke. "Das war nicht meine Absicht", sagte Koch. Mit Blick auf den von ihm angegriffenen Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske fügte er hinzu: "Sollte er es auch so empfinden wenn er es liest, sage ich auch ausdrücklich, dass ich mich bei ihm dafür entschuldige."
Gleichwohl sei es inakzeptabel, in einer politischen Diskussion Menschen zu stigmatisieren. Diesen Vorwurf richtete Koch auch an den Grünen-Landtagsabgeordneten Frank Kaufmann. Dieser hatte sich in der Debatte für eine "Reaktivierung der Vermögensteuer für Millionäre" ausgesprochen und dabei die Namen zweier in Hessen ansässigen Familien samt Adressen genannt.
Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bezeichnete die "Ausfälle" Kochs als "unerträgliche Beleidigung" aller Opfer des Nazi-Regimes. Spiegel sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Welches Geschichtsbewusstein hat Ministerpräsident Koch eigentlich, der diesen historisch unhaltbaren Vergleich zieht?"
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hatte zuvor ebenfalls seinen hessischen Amtskollegen aufgefordert, seine Äußerungen zurückzunehmen. "Das ist geschmacklos", sagte Beck. "Man kann ihm nur raten, das zurückzunehmen." Gerade vor dem Hintergrund des CDU-Schwarzgeldskandals, bei dem Einnahmen als jüdische Vermächtnisse getarnt worden waren, sei Kochs Judenstern-Vergleich "absurd und abenteuerlich".
Die Gewerkschaft Ver.di und die IG Metall übten scharfe Kritik an Koch. "Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass der hessische Ministerpräsident aus wahltaktischem Kalkül nicht vor Geschmacklosigkeiten zurückschreckt", sagte Verdi-Sprecher Harald Reutter. Ver.di-Chef Bsirske lehne eine Stellungnahme zu den Äußerungen Kochs ab, weil er sich nicht auf ein solches Niveau begeben wolle.
Koch hatte bereits 1999 für Aufruhr gesorgt, als er die hessische Landtagswahl mit einer Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gewann. Opposition und Verbände warfen ihm damals vor, er habe sich seine Mehrheit mit dem Mittel der Fremdenfeindlichkeit besorgt.