S
sesam
Guest
So, jetzt da der sechste Stern da ist, kanns losgehen.
Wie es der eine oder andere bereits vielleicht schon weiß, studiere ich Luft- und Raumfahrttechnik (LRT) an der Uni Stuttgart.
Ich muss begleitend zum Semester ein sogenanntes Konstruktionspraktikum machen, d.h. es wurde mir eine Aufgabe gestellt, für die ich eine Konstruktion abgeben muss, die Kinematik, technische Zeichnungen, Berechnungen und Hinweise zur Produktion und Montage enthält. Dabei ist für mich darauf zu achten, dass alles normgerecht ist und tatsächlich nach meinen Anweisungen in die Produktion gehen könnte.
Meine Konstruktion (manchmal auch abkürzend und von manchen leicht verachtend „die Kon“) genannt ist eine rein mechanische Propellerblattverstellung mit Spinner.
Ich möchte euch nun Schritt für Schritt vorstellen, was eine Konstruktion so mit sich bringt, welche Arbeit ich reinstecken musste und was iteratives Vorgehen hier bedeutet.
Nebenbei versuche ich euch ein wenig die Materie zu erklären.
Das ganze will ich hier im Ships&Technology als Serie starten, da ich der Meinung bin, dass es hier noch am Besten reinpasst. Wenn ihr wollt, dann könnt ihr auch gern den Bogen zu Star Trek spannen, da ergeben sich bestimmt interessante Parallelen.
Meine Konstruktion möchte ich euch jetzt aber noch nicht vorstellen,
mir geht’s jetzt erstmal darum, ob das Forum prinzipiell Interesse daran hat und deswegen fange ich jetzt erstmal mit einem anderen Thema an:
Sicherheit in der Luftfahrt
Sicherheit fängt bei den kleinsten Teilen an. So müssen z.B. alle Schrauben in der Luftfahrt gesichert werden. Eine einfache Möglichkeit ist eine Drahtsicherung gegen Losdrehen.
Ein Fahrwerk muss auch ohne das Zutun einer Hydraulik durch das Eigengewicht ausgefahren werden können. Hier eine 747-400.
Die Reifen werden mit N² gefüllt. Im Falle eines platzenden Reifens hemmt N² die Feuerbildung.
Zusätzlich gibt es ein Notventil, das bei hohem Reifendruck N² entlässt.
Beim Startabbruch einer 747 erhitzen sich die Bremsen, der Reifen erhitzt sich und das Notventil entlässt N².
Trotzdem platzen Reifen einer 747 beim Startabbruch und es bildet sich fast immer Feuer !
Unmittelbare Sicherheit:
Bedeutet, dass eine Gefährdung, Versagen oder Ausfall einer Konstruktion von vornherein ausgeschlossen ist (prinzipiell anzustreben).
Ansätze:
Safe-Life-Ansatz:
Das Versagen wird ausgeschlossen durch Klärung aller äußeren Einflüsse, sicherem Bemessen und durch weitere Kontrollen.
Fail-Safe-Ansatz:
Ein beschränktes Versagen ermöglicht gefahrlose Außerbetriebname
Redundanz-Ansatz:
Redundante Anordnung von Baugruppen bedeutet, dass bei Ausfall eines Teils die Gesamtfunktion gewährleistet bleibt.
Wichtig ist hierbei vor Allem die Bauteilsicherheit.
Ein Versagen aufgrund von
Dabei muss man alle Lastfälle ermitteln. Der Lastfall mit der größten Last (sichere Last) dient zur Bemessung, nachdem ein generelles Sicherheitsvielfache von 1.5 aufgeschlagen wurde. Weitere Sicherheitsvielfache können sich durch die Bauteile ergeben (z.B. Stangen mit 6, Bolzen mit 2).
1949 kam es zum erstflug der DeHavilland Comet, dem ersten düsengetriebenen Verkehrsflugzeugs. Der Entwurf war visionär, es gab jedoch 5 Abstürze zwischen 1952 und 1954. Das Problem der Materialermüdung war bis dato weitgehend unbekannt.
Es stellte sich heraus, dass die Unfallursachen Materialermüdung (Fatigue) und explosive Dekompression durch Risse am Fensterausschnitt waren.
Man hatte der Konstruktion damals zu Grunde gelegt, dass man mit Safe-Life entwerfen könnte, und keine Risse während der Lebensdauer auftreten können.
Die Absturzserie der Comet führte zum Entwurf von Fail-Safe mit kontrolliertem Risswachstum, Inspektionen und mehrfachen Lastpfaden.
Heute setzt man zumeist Doppler und sogenannte Rissstopper ein, die das Risswachstum auf Beplankungsfeldern begrenzen sollen.
Man geht davon aus, dass Ermüdungsrisse früh genug erlannt werden und zugelassen werden können. Ist die Rissfortschrittlebensdauer größer als ein Inspektionsintervall ist alles in Ordnung.
Lufthansa Technik unterteilt ihre Routine-Untersuchungen in verschiedene Checks.
In der Tat kann man davon ausgehen, dass ein Flugzeug Risse bis ca. 200mm aufweist. Die meisten Risse sind ca 20-50 mm groß und entstehen am Flügel und Leitwerk. Sie werden bei Inspektionen kontrolliert und protokolliert. Sie führen noch nicht zum Ausfall eines Bauteils und können somit als „normal“ angesehen werden. Ein Austausch wird meistens erst ab dem kritischen Schadensausmaß erfolgen.
...und ein Negativbeispiel habe ich auch:
Wenn ihr das nächste Mal in einem der erfolgreichsten Flugzeuge sitzt (den Typ sage ich jetzt aus guten Gründen nicht, nur eines: es ist eine Boeing), dann schaut doch mal auf den Boden. Wenn ihr zufällig in der richtigen Reihe auf dem richtigen Sitz seid, dann seht ihr eine kleine Vertiefung. Diese Vertiefung ist in Wirklichkeit ein Deckel, den man problemlos per Hand aufmachen kann. Schaut man in dieses Loch, so sieht man über ein Prisma den Fahrwerkschacht. So soll im Notfall gewährleistet sein, dass man die Fahrwerkaufhängung überprüfen kann. Aber da ist noch mehr zu sehen: nur wenige Zentimeter unter euch befinden sich Steuerseile, über die der Pilot das Seitenruder ansteuert. Mit einer Zange könnte man sie problemlos durchschneiden und schon wäre eines der drei redundanten Steuersysteme ausgeschaltet.
Diese Klappe ist tatsächlich in keinster Weise gesichert. Das darf sie auch nicht sein, da sie im Notfall schnell geöffnet werden müsste.
Diese Sicherheitslücke ist nur deswegen von der FAA (Federal Aviation Administration) genehmigt, weil man annimmt, dass die Passagiere nicht genug über Flugzeuge wissen.
Letztens hatte ich die Möglichkeit, jemanden von Lufthansa Technik (die die Wartung übernehmen) zu fragen, warum man denn die Steuerseile nicht anders verlegt. Er hat lediglich gemeint, dass man sich darum keine Sorgen macht, denn die Steuerseile vom Copiloten verläufen an der Decke hinter den Abdeckungen.
Puren Leichtsinn gibt es also auch.
Ich möchte hier ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Copyright einiger Bilder beim Stiftungslehrstuhl Windenergie am Institut für Flugzeugbau Stuttgart (SWE) liegt. Sollte ich Beschwerden hören, die es mir nicht weiter ermöglichen, Bilder von dort zu übernehmen,
werden diese sofort aus dem Forum genommen.
Wie es der eine oder andere bereits vielleicht schon weiß, studiere ich Luft- und Raumfahrttechnik (LRT) an der Uni Stuttgart.
Ich muss begleitend zum Semester ein sogenanntes Konstruktionspraktikum machen, d.h. es wurde mir eine Aufgabe gestellt, für die ich eine Konstruktion abgeben muss, die Kinematik, technische Zeichnungen, Berechnungen und Hinweise zur Produktion und Montage enthält. Dabei ist für mich darauf zu achten, dass alles normgerecht ist und tatsächlich nach meinen Anweisungen in die Produktion gehen könnte.
Meine Konstruktion (manchmal auch abkürzend und von manchen leicht verachtend „die Kon“) genannt ist eine rein mechanische Propellerblattverstellung mit Spinner.
Ich möchte euch nun Schritt für Schritt vorstellen, was eine Konstruktion so mit sich bringt, welche Arbeit ich reinstecken musste und was iteratives Vorgehen hier bedeutet.
Nebenbei versuche ich euch ein wenig die Materie zu erklären.
Das ganze will ich hier im Ships&Technology als Serie starten, da ich der Meinung bin, dass es hier noch am Besten reinpasst. Wenn ihr wollt, dann könnt ihr auch gern den Bogen zu Star Trek spannen, da ergeben sich bestimmt interessante Parallelen.
Meine Konstruktion möchte ich euch jetzt aber noch nicht vorstellen,
mir geht’s jetzt erstmal darum, ob das Forum prinzipiell Interesse daran hat und deswegen fange ich jetzt erstmal mit einem anderen Thema an:
Sicherheit in der Luftfahrt
Sicherheit fängt bei den kleinsten Teilen an. So müssen z.B. alle Schrauben in der Luftfahrt gesichert werden. Eine einfache Möglichkeit ist eine Drahtsicherung gegen Losdrehen.
Ein Fahrwerk muss auch ohne das Zutun einer Hydraulik durch das Eigengewicht ausgefahren werden können. Hier eine 747-400.
Die Reifen werden mit N² gefüllt. Im Falle eines platzenden Reifens hemmt N² die Feuerbildung.
Zusätzlich gibt es ein Notventil, das bei hohem Reifendruck N² entlässt.
Beim Startabbruch einer 747 erhitzen sich die Bremsen, der Reifen erhitzt sich und das Notventil entlässt N².
Trotzdem platzen Reifen einer 747 beim Startabbruch und es bildet sich fast immer Feuer !
Unmittelbare Sicherheit:
Bedeutet, dass eine Gefährdung, Versagen oder Ausfall einer Konstruktion von vornherein ausgeschlossen ist (prinzipiell anzustreben).
Ansätze:
Safe-Life-Ansatz:
Das Versagen wird ausgeschlossen durch Klärung aller äußeren Einflüsse, sicherem Bemessen und durch weitere Kontrollen.
Fail-Safe-Ansatz:
Ein beschränktes Versagen ermöglicht gefahrlose Außerbetriebname
Redundanz-Ansatz:
Redundante Anordnung von Baugruppen bedeutet, dass bei Ausfall eines Teils die Gesamtfunktion gewährleistet bleibt.
Wichtig ist hierbei vor Allem die Bauteilsicherheit.
Ein Versagen aufgrund von
- statische Festigkeit (Dehngrenze)
- Bruch
- Ermüdung
- unzulässige Verformungen
- statische Instabilitäten (Beulen, Knicken, Fließen)
- dynamische Instabilitäten (Flugregelung, Flattern)
Dabei muss man alle Lastfälle ermitteln. Der Lastfall mit der größten Last (sichere Last) dient zur Bemessung, nachdem ein generelles Sicherheitsvielfache von 1.5 aufgeschlagen wurde. Weitere Sicherheitsvielfache können sich durch die Bauteile ergeben (z.B. Stangen mit 6, Bolzen mit 2).
1949 kam es zum erstflug der DeHavilland Comet, dem ersten düsengetriebenen Verkehrsflugzeugs. Der Entwurf war visionär, es gab jedoch 5 Abstürze zwischen 1952 und 1954. Das Problem der Materialermüdung war bis dato weitgehend unbekannt.
Es stellte sich heraus, dass die Unfallursachen Materialermüdung (Fatigue) und explosive Dekompression durch Risse am Fensterausschnitt waren.
Man hatte der Konstruktion damals zu Grunde gelegt, dass man mit Safe-Life entwerfen könnte, und keine Risse während der Lebensdauer auftreten können.
Die Absturzserie der Comet führte zum Entwurf von Fail-Safe mit kontrolliertem Risswachstum, Inspektionen und mehrfachen Lastpfaden.
Heute setzt man zumeist Doppler und sogenannte Rissstopper ein, die das Risswachstum auf Beplankungsfeldern begrenzen sollen.
Man geht davon aus, dass Ermüdungsrisse früh genug erlannt werden und zugelassen werden können. Ist die Rissfortschrittlebensdauer größer als ein Inspektionsintervall ist alles in Ordnung.
Lufthansa Technik unterteilt ihre Routine-Untersuchungen in verschiedene Checks.
In der Tat kann man davon ausgehen, dass ein Flugzeug Risse bis ca. 200mm aufweist. Die meisten Risse sind ca 20-50 mm groß und entstehen am Flügel und Leitwerk. Sie werden bei Inspektionen kontrolliert und protokolliert. Sie führen noch nicht zum Ausfall eines Bauteils und können somit als „normal“ angesehen werden. Ein Austausch wird meistens erst ab dem kritischen Schadensausmaß erfolgen.
...und ein Negativbeispiel habe ich auch:
Wenn ihr das nächste Mal in einem der erfolgreichsten Flugzeuge sitzt (den Typ sage ich jetzt aus guten Gründen nicht, nur eines: es ist eine Boeing), dann schaut doch mal auf den Boden. Wenn ihr zufällig in der richtigen Reihe auf dem richtigen Sitz seid, dann seht ihr eine kleine Vertiefung. Diese Vertiefung ist in Wirklichkeit ein Deckel, den man problemlos per Hand aufmachen kann. Schaut man in dieses Loch, so sieht man über ein Prisma den Fahrwerkschacht. So soll im Notfall gewährleistet sein, dass man die Fahrwerkaufhängung überprüfen kann. Aber da ist noch mehr zu sehen: nur wenige Zentimeter unter euch befinden sich Steuerseile, über die der Pilot das Seitenruder ansteuert. Mit einer Zange könnte man sie problemlos durchschneiden und schon wäre eines der drei redundanten Steuersysteme ausgeschaltet.
Diese Klappe ist tatsächlich in keinster Weise gesichert. Das darf sie auch nicht sein, da sie im Notfall schnell geöffnet werden müsste.
Diese Sicherheitslücke ist nur deswegen von der FAA (Federal Aviation Administration) genehmigt, weil man annimmt, dass die Passagiere nicht genug über Flugzeuge wissen.
Letztens hatte ich die Möglichkeit, jemanden von Lufthansa Technik (die die Wartung übernehmen) zu fragen, warum man denn die Steuerseile nicht anders verlegt. Er hat lediglich gemeint, dass man sich darum keine Sorgen macht, denn die Steuerseile vom Copiloten verläufen an der Decke hinter den Abdeckungen.
Puren Leichtsinn gibt es also auch.
Ich möchte hier ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Copyright einiger Bilder beim Stiftungslehrstuhl Windenergie am Institut für Flugzeugbau Stuttgart (SWE) liegt. Sollte ich Beschwerden hören, die es mir nicht weiter ermöglichen, Bilder von dort zu übernehmen,
werden diese sofort aus dem Forum genommen.
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