tl;dr: Dann lies nur die paar Zeilen "Hauptteil".
Die genaue Funktionsweise des Warp-Antrieb wurde natürlich bisher in keiner Folge erwähnt, lediglich dass Raumfaltung dabei verwendet wird. Vorstellbar wären durchaus verschiedene Varianten, z. B.:
1. Der Warp-"Antrieb" kontrahiert den Raum vor dem Schiff und expandiert den Raum hinter dem Schiff. Dies führt aber lediglich dazu, dass Abstände vor dem Schiff kleiner werden. Daher muss zusätzlich das Schiff über einen koventionellen Antrieb leicht in Bewegung versetzt werden, um diesen Vorteil auch tatsächlich zu nutzen.
2. Der Warp-"Antrieb" kontrahiert den Raum vor dem Schiff und expandiert den Raum hinter dem Schiff. Dadurch werden nicht nur die Abstände vor dem Schiff kleiner, sondern das Schiff auch (metaphorisch) vorwärts geschoben (wie beim Surfen) oder vorwärts gesogen (wie bei einem Strudel).
In Variante 1 würde das Schiff bei Ausschalten des Warp-Antriebs also mit der (vorher) vom konventionellen Antrieb verursachten Geschwindigkeit weiterfliegen.
In Variante 2 hingegen handelt sich nicht um eine Bewegung im Newtonschen Sinne, sondern lediglich um eine durch die Verzerrung verursachte Positionsänderung. Beim Ausschalten des Warp-Antriebs würde somit auch keine Geschwindigkeit verbleiben.
Beide Varianten sind denkbar. Insofern liegt Ihr beide potentiell richtig.
Persönlich gehe ich beim Warp-Antrieb davon aus, dass es sich im Wesentlichen um einen
Alcubierre-Antrieb handelt, also das Warp-Konzept, das Miguel Alcubierre in den 90ern entwickelt hat. Aber das ist mein "HeadCanon", also nicht zwingend das, was wirklich in
Star Trek zu sehen ist.
Nach dieser länglichen Einleitung möchte ich aber einwänden, dass das meiner Meinung nach aber nicht die eigentliche Lösung des Problems ist.
=== Hauptteil ===
Vielmehr erklärt sich mir hier der Unterschied zwischen "Ziel-Vorgabe" und "Aktions-Vorgabe". Was bedeutet das? Man kann ein Kommando auf verschiedene Arten formulieren. Man kann entweder sagen, was das Ziel sein soll, das zu erreichen ist oder man kann sagen, welche Aktion durchgeführt werden soll.
Wenn Picard sagt "Voller Stopp", dann verstehe ich das als Ziel-Vorgabe, nicht als Aktions-Vorgabe. Das Ziel ist, dass das Schiff seine Position hält (im Newtonschen Sinne, dazu später mehr). Nach Newtonschem Verständnis bedeutet das also offenbar, dass das Schiff abbremsen muss, sofern es vorher in Bewegung war, um die Ziel-Vorgabe zu erreichen.
Es ist somit insbesondere etwas vollkommen anderes als der Befehl "Maschinen stopp!", was eine Aktions-Vorgabe wäre, welche bedeuten würde, dass der Antrieb ausgeschaltet wird und somit die bisherige Geschwindigkeit (im Wesentlichen) beibehalten würde, weil ja nahezu keine Reibung vorhanden ist, um das Schiff abzubremsen.
Ganz generell scheinen in Star Trek alle Antriebs-Befehle als Ziel-Vorgabe genormt zu sein. In der Regel wird die gewünschte Geschwindigkeit ("Voller Stopp", "Halber Impuls" (0.125a), "Warp 7", ...) bzw. Flugbahn (geostationärer Orbit, ...) genannt und nicht die Aktions-Vorgabe ("Machinen auf 50% Leistung", "Fliegt eine permanente 0.2 Grad Linkskurve um den Planeten").
Das erscheint mir sinnvoll (dem Computer die komplexen Berechnungen für die Manöver zu überlassen) und weitestgehend auch plausibel umgesetzt.
=== Detailfragen ===
Bleiben noch drei Punkte dazu zu erwähnen:
1. "Position halten" ist im relativistischen Sinne nicht so leicht wie im Newtonschen Sinne zu verstehen. Offensichtlich muss man dafür in Relation zu irgendetwas Konkretem gehen. Da das aber auch für jegliche Geschwindigkeitsangabe gilt, welche uns ja auch zu hauf begegen, sehe ich darin kein weiteres Problem - offensichtlich hat die Enterprise einen Mechanimus, eine relativistische Relation auszusuchen, also ergibt somit auch "Position halten" einen Sinn.
2. Die Erfüllung der Ziel-Vorgabe-Befehle weisen in Star Trek eine beeindruckende Abruptheit auf: Wie
@beeblebrox erwähnt, steht nach einem "Voller Stopp"-Kommando in der Regel das Schiff quasi sofort still. Aber das scheint ebenso in der Gegenrichtung zu funktionieren: Wird eine bestimmte Geschwindigkeit (außer bei sehr hohem Warp) befohlen, ist diese auch quasi sofort erreicht. Scheinbar sind die Antriebe so gut, dass man sich um Beschleunigung quasi keinerlei Gedanken machen muss. Das ist beeindruckend, aber weitgehend konsistent dargestellt. Konsequenterweise sehen wir dann auch, wenn die Antriebe nicht zur Verfügung stehen (z. B.
TNG Die Energiefalle /
Booby Trap), dass man sich plötzlich sehr wohl um Beschleunigung und nicht nur Geschwindigkeit kümmern muss - ebenso wenn die Maschinen tatsächlich mal stark gefordert werden (hohe Warp-Geschwindigkeiten). Daher gehe ich davon aus, dass das im Wesentlichen eine gewollte Darstellung ist - also standardmäßige Antriebe mit "von 0 auf v_max in 30ms" in
Star Trek Realität sind.
3. Ganz generell unterscheiden viele Werke der Fiktion nicht angemessen zwischen Impuls, Beschleunigung und Geschwindigkeit. Das ist in der Science Fiction natürlich besonders auffällig, weil durch die fehlende Reibung im Vakuum auch nicht - wie auf der Erde - eine fehlende Beschleunigung zügig zur Negierung der Geschwindigkeit führt. Wie gesagt halte ich die Darstellung in
Star Trek dazu für weitgehend konsistent unter der Annahme der oben erwähnten futurischsten Antriebe mit "Super-Beschleunigung". Einen anderen Weg geht z. B. die Serie
The Expanse, welche gerade zu Anfang sehr deutlich umfangreiche Bremsmanöver usw. prominent präsentiert.
Abschließend der "Warp-Ausfall":
Bei Warp-Variante 2 ist klar, dass der Wechsel zu Impuls explizit befohlen werden muss. Aber selbst wenn Warp-Variante 1 oben zutreffend ist, also ein konventioneller Antrieb zusätzlich schon während des Warp-Flugs Verwendung findet, gilt: Je nachdem wie nah z. B. die Warp-Verzerrung am Schiff liegt, könnte zur Vermeidung von Interferenzen dabei die tatsächliche Newtonsche Geschwindigkeit mit unter sehr gering sein müssen, also z. B. nur einige hundert km/h oder aber recht hoch, also z. B. Voller Impuls/0.25a.
"Wir gehen auf Impuls" könnte also sowohl eine einfache Anpassung der Ziel-Vorgabe sein, aber genauso gut tatsächlich eine Beschleunigung mit sich bringen.
Zusätzlich dürften die Rahmenbedingungen zwischen Warp und Impuls (z. B. bezüglich der Deflektor- und Navigationsberechnungen) unterschiedlich sein, so dass "Wir gehen auf Impuls" auch eine Änderung des "Flug-Modus" des Schiffes mit sich bringt. Selbst wenn das automatisch geschieht, kann es eine vorgeschriebene Info an die Crew sein (ähnlich wie "Captain auf der Brücke"), damit sie auf die richtigen Sachen achten.
Nun, ergibt es Sinn, wenn man den Warp-Antrieb verliert, danach mit Impuls-Antrieb weiterzufliegen, obwohl damit aus einer "2-Tage-Reise" eine "23-Jahre-Reise" wird? Natürlich hat es keinen großen Nutzen, den Flug mit Impuls zu versuchen. Allerdings bleibt einem in der Situation oft ja auch keine wirkliche Alternative.
Es gibt ein paar Kleinigkeiten, die für den Versuch sprechen:
- Obwohl die Wahrscheinlichkeit aufgrund der geringen Geschwindigkeit gering ist, könnte man auf dem Weg auf irgendetwas interessantes stoßen. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, aber nicht 0.
- Im Zweifelsfall ist das Rückschicken des Raumschiffs in Richtung Sternenbasis (selbst wenn beim Eintreffen nur noch Leichen an Bord sind) immer noch vorteilhaft - dann weiß die Sternenflotte immerhin 23 Jahre später, was passiert ist.
Potentiell dagegen sprechen würde z. B., wenn man die Energie gegebenfalls anderweitig einsetzen kann. Zu Zeiten von
ENT war aber z. B. offenbar der Sauerstoff-Vorrat das lebens-kritische Element und dieser konnte nicht einfach mit der Energie/Treibstoff repliziert werden.
Insofern ist das letzlich eine Einzelfall-Entscheidung, aber Menschen sind nun mal nicht gut dabei, einfach zumzusitzen und abzuwarten - das gilt besonders für die Protagonisten einer Fernsehserie. Also fliegen sie halt lieber in die Richtung, auch wenn es im Prinzip nahezu sinnlos ist.