Mein persönlicher Eindruck nach dem Anschauen der ersten Folge ist:
Star Trek ist zurück! Ob das nun vollends stimmt, dafür muss man wohl noch die nächsten 9 Wochen genau betrachten, aber ich hatte halt zumindest beim Schauen das erste Mal seit Jahrzehnten wieder das gute Gefühl,
Star Trek zu sehen.
Das liegt hauptsächlich an drei Dingen: erstens beinhaltet die Folge die
Star Trek-Philosophie, zweitens wird uns ein ansprechender, interessanter Plot geboten, welcher drittens gut durchdacht wirkt, insbesondere keine offensichtlichen Plot-Holes bietet.
Natürlich sind bei der Geschichte noch einige Fragen offen, aber es wird uns eine solide Grundlage präsentiert und in dieser scheint alles weitgehend zusammenzupassen. Damit hebt es sich doch sehr deutlich von anderen Produktionen (wie z. B.
DIS) ab, wo keine solide Grundlage präsentiert wurde und in dem wenigen trotzdem bereits massive Widersprüche waren.
Sehr positiv aufgefallen ist mir, wie mit Bezügen zu bisherigen
Star Trek-Produktionen ungegangen wurde: Sie wurden passend statt aufdringlich platziert und sie respektieren die bisherigen Serien statt ihnen zu widersprechen, nur um einen billigen Namedrop zu haben. Also ganz anders als z. B. Lorcas Labor oder der Tribble-Short Trek, die unbedingt im Ruhm des bisherigen sonnen wollten, es ihnen aber egal war, ob das irgendeinen Sinn ergibt.
Natürlich gibt es auch das ein oder andere, was man besser machen könnte, z. B. bin ich ganz generell in Filmen und Serien kein großer Fan von Stroytelling über Nachrichten und/oder Interviews; wobei - wie schon jemand gesagt hat - Patrick Stewart es rettet und die Szene schlichtweg brilliert. Das Ende des Interviews war sicher somit unter dem besten Fernsehen, was ich in den letzten Jahrzehnten zu sehen bekommen habe.
Auch behagt mir die Darstellung der Gesellschaft in
PIC nicht sehr, eben weil sie zu nah an der Gegenwart ist. Ich habe die Gesellschaft der Föderation immer so gesehen, dass sie sich tatsächlich weiterentwickelt hat. Nicht alle Menschen sind plötzlich gut, aber der Durchschnitt sollte zumindest nicht mehr so dumm und unaufgeklärt sein wie heute. Wie Picard in
VIII sagte, habe sich die Menschheit weiterentwickelt. In PIC sieht es nun leider eher so aus, als ob das nicht der Fall ist. Es gibt Personen, die sich weiterentwickelt haben, aber der Groß der Bevölkerung ist ebenso rassistisch, unaufgeklärt, dumm und irrational wie heutzutage. Das würde für mich viel von der Botschaft von
Star Trek klauen: dass es möglich ist, dass die Gesellschaft als solche sich weiter entwickelt und seinen Mitglieder ein hohes Maß an Aufklärung bietet. Das heißt nicht, dass alle Menschen perfekt sind, aber zumindest dass der Durchschnitt deutlich gehoben wäre. Nicht einzelne gute Menschen sorgen dafür, dass die Gesellschaft läuft, sondern eine aufgeklärte Gesellschaft bietet den Menschen die Möglichkeit, sich zu entfalten.
Das mag aber der Preis sein, den die Macher bereit zu bezahlen sind, um eine Geschichte zu erzählen, die genau für die aktuelle Situation der Welt höchste Relevanz hat; indem man die Gesellschaft dort als Analogie zur heutigen nimmt, um dann in der Person des Picard zu zeigen, wie man auf so einen gesellschaftlichen Backlash und Rechtsruck, den wir seit einigen Jahrzehnten in Gesellschaft und Politik erleben, reagieren kann. Dabei ist natürlich auch die Analogie der terroristischen Anschläge (Mars und 9/11) eindeutig.
Persönlich fände ich es wichtig, auch die Vision einer besseren Gesellschaft mal wieder ins Fernsehen zu bringen -
PIC wäre ideal dafür gewesen, stattdessen beschreitet
PIC hier also wohl den Weg, aufzuzeigen, wie man mit einer Gesellschaft umgeht, die in die falsche Richtung geht. Das kann sicher auch interessant sein. Tatsächlich ist die eigentlich verlorene Chance, dass nun ein ganzer Strauß an
Star Trek-Serien herauskommen wird und dann trotzdem keine dabei sein wird, die diese Vision umsetzt, für die
Star Trek eigentlich steht - bloß gut, dass wir
The Orville haben.
Die CGI fand ich eigentlich durchgängig gut - die einzige Ausnahme ist Dahj's Sprung; aber da ist wohl auch eher die Tatsache des Sprungs an sich das Problem und nicht die CGI.
Wobei ich hoffe, dass sie noch drauf eingehen werden, woher plötzlich diese ganzen Synthetischen gekommen sein wollen
Definitiv. Das ist natürlich eine Frage, die zentral ist und geklärt werden muss. Ich habe aber die ein oder andere Szene aus den Trailern so aufgefasst, dass das noch ein zentrales Handlungselement wird - und dass das Handlungselement auch irgendwie den Namen "Synthetische" erklärt, der ja vorher in
Star Trek auch noch nie verwendet wurde.
Insbesondere auch Picards Aussage, dass immer noch niemand weiß, wieso sie angegriffen haben, klingt für mich als Zuschauer auch als Versprechen, dass wir eben darauf eine Antwort bekommen werden.
Wobei vom rein logischen her es keinen Sinn macht, dass die Föderation den Romulanern nicht helfen wollte.
Sie hat den Klingonen in Star Trek VI geholfen und mit denen war man in ersthaften Konflikten, wohingegen die Romulaner und die Föderation seit Jahrzehnten in einem kalten Frieden waren und Romulaner waren Alliierte im Dominionkrieg (auch wenn man sie reingelockt hat).
Von daher kam dieses "Wieso sollten wir DENEN helfen?" irgendwie aus dem Blauen heraus.
Ja, wobei man sagen muss (zusätzlich zu meiner kritischen Betrachtung der Gesellschafts-Darstellung oben), dass es bei den Romulanern mit einem enormen Aufwand verbunden ist, während es bei den Klingonen letztlich nur darum ging, zu akzeptieren, dass man offiziell in den Friedenszustand übergeht.
Das ist ein wenig so, wie wenn ein Nachbar Dich entweder fragt, ob ihr aufhören wollt, Euch gegenseitig die Zeitung zu stehlen (Klingonen) oder ob der Nachbar, der Dir noch vor drei Monaten immer die Zeitung gestohlen hatte (bis ihr dann gemeinsam den Übernachbar daran gehindert habt, einen Balkon über eure Gärten zu bauen), nun möchte, dass Du das nächste Jahr jedes Wochenende seinen Hund sittest, weil er arbeitstechnisch verhindert ist (Romulaner). Da wirst Du beim ersten wahrscheinlich auch denken "Ich weiß zwar noch nicht, ob ich dem trauen kann, aber versuchen wir es einfach mal.", während Du beim zweiten erst mal denkst "Was? Du bist doch der, der mir ständig die Zeitungen gestohlen hat und Dir soll ich nun meine Wochenenden opfern?"
Jedenfalls bin ich guter Dinge, dass uns hier eine interessante und durchdachte Geschichte präsentiert wird, die tatsächlich den Geist von
Star Trek beinhaltet. Ich freue mich also schon auf die nächsten Folgen.
Live long and prosper,
Vulcan