Also vorweg möchte ich sagen, dass der Artikel auf
startrek.com von irgendeinem Freelancer stammt, deren Beschreibung sich als "
still hasn't finished all of DS9" liest. Dass
PIC an einigen Punkten die Idee der Ignoranz des Privilegs versucht, in die Erzählung einzubeziehen, ist sicher richtig - möglicherweise auch keine schlechte Idee, wenn auch schlecht umgesetzt und mit Picard ein denkbar unpassender Charakter für die Geschichte gewählt wurde. Ansonsten würde ich in den Artikel nicht viel reininterpretieren. Andererseits hat Michael Chabon selbst viele grausige Aussagen über
PIC gemacht (wie z. B. anhand der Ex-Borg, dass Verbrechens-Opfer seiner Meinung nach doch als beschädigte Ware gefälligst am Ende zu sterben haben).
Persönlich bin ich von den meisten der neueren
Star Trek-Produktionen enttäuscht, ABER wir sind - wenn man mal rein die Produktionen betrachtet - nicht in der schlimmsten Zeit.
DIS und
PIC sind definitiv von der erzählerischen Qualität her unbefriedigend - und haben die Utopie und die Grundgedanken von
Star Trek weitgehend abgelegt bzw. sind bisher nicht in der Lage, diese adäquat einzubeziehen. Allerdings sind sie dennoch
1. in beiden angesprochenen Kategorien um Welten besser als die
Abrams-Filme;
2. existiert mit
LD auch eine aktuelle Serie, die erzählerische Qualität aufweist und trotz des Comedy-Settings den
Star Trek-Gedanken beinhaltet und
3. weist selbst
DIS eine Tendenz nach oben auf.
Ganz und gar erbärmlich zeigt sich aber der Konzern hinter der Marke, wie er agressiv die Auslöschung der Fan-Kultur betreibt und jedweden Respekt vor den eigenen Kunden vermissen lässt (z. B. bei den ständigen Veröffentlichungs-Pannen). Dass in diesen beiden Bereichen so massiv Scheiße gebaut wird, ist das, was mir eigentlich Sorge bereitet. Man würde ja eigentlich vermuten, dass es halt seelenlose Geldsäcke seien, die nur Profit machen wollen. Aber stattdessen ist es ihnen offenbar noch wichtiger, gezielt Leute unglücklich zu machen, als Geld zu machen - in einem Ausmaß, das mit bloßer Inkompetenz nicht zu erklären ist. Das ist das, was mir wirklich komplett unverständlich ist.
USS Nelame schrieb:
An diesem Punkt möchte ich mal fragen: Warum wird überhaupt noch "Star Trek" produziert, wenn es am Ende doch sowieso nur darum geht, das zu zerstören, wofür Star Trek stand?
Also vermöge der obigen Ausführungen: Kohle, Kohle, Kohle. Sie machen das einzig und allein für den schnöden Mamon - Kapitalismus in seiner Endphase: Statt einen Beitrag zu leisten und dafür (gegebebenfalls auch gut) bezahlt zu werden geht es einfach nur noch ums Geldscheffeln. Der Unterschied zwischen Roddenberry und Kurtzman ist etwa wie der Unterschied zwischen einem ordentlichen Bäcker und irgendeinem Arschloch, der Dir Müll oder gar Gift als Nahrung verkauft.
Der Bäcker wollte etwas zur Gesellschaft beisteuern und damit gleichzeitig seinen Lebensunterhalt verdienen. Das ist in Ordnung, gut so.
Doch hier haben wir einfach nur noch Geldscheffelei ohne jegliche Wertschöpfung.
Und wir sind mit schuld daran. Denn wir als Gesellschaft akzeptieren ja seit geraumer Zeit, dass es schon ok sei, wenn eine Firma etwas aus reinem Profitstreben tut: "Was gut für die Wirtschaft ist, ist gut für alle!" und dabei wird "gut für die Wirtschaft" auch noch rein auf den Quartalsabschluss beschränkt. Uns wird vorgebetet, dass es vollkommen ok sei, wenn eine Firma Leben zerstört, solange sie damit Geld machen (- absurderweise wird gleichzeitig der Arbeitslosengeldempfänger zutiefst dafür beleidigt, wenn er keinen sinnlosen Ein-Euro-Job machen will).
Wir müssen uns dem entgegenstellen und mehr Veranwortung von den Firmen verlangen: Es reicht nicht, einfach Geld zu machen! Tragt zur Gesellschaft bei, dann freuen wir uns, wenn Ihr dabei Euren Lebensunterhalt verdient! Aber wenn es nur ums Geldscheffeln geht ohne gesellschaftliche Nutzen, dann sollten wir an der Zerstörung dieser Schmarotzer-Firmen arbeiten - und sie insbesondere bezahlen lassen für die Kosten, die sie verursachen wie Umwelt-Verschmutzung.
USS Nelame schrieb:
Unter dem Deckmantel von "Diversität" und "Female Empowerment" die Werte, Moral, Ethik und Weisheit des ursprünglichen Star Treks zu zerstören, die doch im Kern genau das verfolgt haben?
Es ist halt nur ein Deckmantel, ein Werbeaushängeschild, das sie sich angeklebt haben. Sie machen damit Werbung, um sagen zu können, dass sie mehr sind als nur die reine Geldscheffelei - dass sie auch einen gesellschaftlichen Beitrag leisten.
Und fairerweise muss man sagen, dass sie auf dem Gebiet Diversität auch ganz ok sind: Bei vier laufenden Serien (
DIS,
PIC,
LD,
PRO) zwei mit männlicher, zwei mit weiblicher Hauptrolle; drei der Serien mit nahezu ausgeglichenem Frauen/Männer-Verhältnis bei den Hauptdarstellern (
PIC: 3+3,
LD: 2+2 (und 2+2 bei den Offizieren),
DIS: irgendetwas zwischen 2+2 und 4*4) und verschiedene Farben vorhanden und
DIS hat immerhin auch nicht-binäre Charaktere mit eingeführt.
Also das ist schon so, wie es etwa sein sollte. (Wobei natürlich im Wesentlichen die Summe interessiert, also etwa 11*11; habe es nur pro Serie einzeln gelistet, weil es teilweise echt schwer zu sagen ist, wer eine Hauptrolle hat, und die einzelnen Zahlen daher etwas mehr Transparenz meiner Einteilung zulassen).
Es ist also eine recht gleichmäßige Besetzung. Bemerkenswert ist, dass obwohl in keiner einzigen der Serien der Frauenanteil über 50% liegt, so ein massiver Backlash existiert. Es ist ja nicht so, dass da jetzt plötzlich nur noch Frauen oder weitgehend Frauen spielen. Sie sind objektiv betrachtet in keinster Weise überrepräsentiert... und dennoch gehen bestimmte Leute deswegen so dermaßen auf die Barrikaden. Das zeigt dann möglicherweise, dass Diversität in Serien umfangreich zu berücksichtigen, doch noch um einiges wichtiger ist als ich dachte.
Also diese eine Sache haben sie dann wohl einigermaßen richtig gemacht. Dass sie dann aus ihrem einzigen Nicht-Fehler auch Potential schlagen wollen und es bewerben... geht für mich in Ordnung.
Es ist natürlich traurig, dass sie nicht noch einige Schritte weitergehen und vollständig Werte, Moral, Ethik und Weisheit des ursprünglichen
Star Trek durchziehen. Aber wenn wir das als Fans wollen, wäre es wohl auch wichtig, die Schritte, die sie dabei in die richtige Richtung machen, auch anzuerkennen. Wenn sie hingegen, weil wir Fans dazu schweigen, das Gefühl haben, dass der Gegenwind von Sexisten und Rassisten die Hauptreaktion in der Gesellschaft ist, werden sie kaum noch einen Schritt draufsetzen und Ethik stärker thematisieren.
USS Nelame schrieb:
An diesem Punkt ist Star Trek tot und für ich. Es bleiben Erinnerungen an eine bessere Version, an die nichts mehr herankommen wird und die auch kein Nostalgiegehasche mehr triggern wird. Und deshalb möchte Hollywood auch zurufen: Bitte, lasst die Scheiße endlich sterben.
Ich sage mal so: Die Zeit, wo man sagen konnte, dass man
Star Trek-Fan ist, und dann um sich nicht zu schämen, nicht erst stundenlang erläutern musste, dass das bestimmte Haufen Scheiße nicht abdeckt, ist spätestens seit 2009 vorbei. Die ein oder andere weitere
DIS-Staffel ändert das nun nicht mehr. Auf der anderen Seite erhöht eine größere Anzahl unterschiedlicher aktueller Serien die Wahrscheinlichkeit, dass auch etwas Brauchbares dabei ist. Wie gesagt, halte ich zum Beispiel
LD für eine Bereicherung von
Star Trek. Persönlich hätte ich
DIS dafür nicht gebraucht, aber Fakt ist, dass es
LD ohne
DIS nicht gegeben hätte.
Auch bin ich durchaus gespannt auf
SNW - es ist natürlich gut möglich, dass das scheiße wird, aber ich sehe durchaus auch eine gute Chance, dass da die eine oder andere gute Folge dabei sein kann, die echtes
Star Trek ist.
USS Nelame schrieb:
Echtes Star Trek gibt es schon seit 2007 nicht mehr und jede(r), der sich jetzt noch einbildet, dass diese neu produzierten Satiren irgendwas im Star Trek-Universum zu suchen hätten, sollte seine Medikation überprüfen und lieber stärkere Psychopharmaka nehmen.
Welche
Star Trek von 2007 meinst Du denn? Das einzig gute/echte
Star Trek von 2007 ist meines Wissens nach
Star Trek: New Voyages.
Bzgl. der Medikation kann ich jetzt nicht wirklich widersprechen. Ich finde
LD wie gesagt recht passend - ich habe durchgängig das Gefühl, dass Mike McMahon jede einzelne
TNG-Folgen exakt in seinem Geiste nachspielen kann und (im Gegensatz zu Kurtzman & Co.) verstanden hat, worum es eigentlich geht - und daher ist sein satirischer Kommentar "
LD" auch so erfrischend und gibt mir weitgehend ein
TNG-Feeling. Ich habe aber auch schon lange nicht mehr ganzheitlich mit einer Ärztin über meine Medikation gesprochen - vielleicht brauche ich ja Psychopharmaka, wer weiß.
[Fortsetzung folgt...]