29.03.2000
Schlafentzug macht dumm und Stress behindert die Erinnerung: Fettleibigkeit, Diabetes und Hirnschäden sind weitere Folgen
Stuttgart (Eva Manhardt / Dörte Saße) - Fettleibigkeit, Diabetes und Hirnschäden können die Folgen sein, wenn man zu wenig schläft. Das haben nun Schlafforscher an der amerikanischen Universität von Stanford herausgefunden. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Personen mit großem Schlafdefizit im Alter besonders anfällig für diese Komplikationen sein können.
William Dement, Schlafforscher an der Stanford-Universität, hat eine einfacher Erklärung: Wenn das Gehirn nachts nicht genug Ruhe gehabt habe, versuche es, am Tag zu schlafen. Wer dieser Tatsache nicht Rechnung trage, würde das Gehirn auf Dauer schädigen. Seine Schlussfolgerung: Schlafentzug macht dumm.
Bereits nach zwei Stunden zu wenig Schlaf gäbe es kleine Beeinträchtigungen des menschlichen Verhaltens, sagt Thomas Roth, Vorsitzender der Schlafmedizinischen Abteilung am Henry-Ford-Hospital. Bei einem Schlafmangel von zehn Stunden sei es beispielsweise unverantwortlich, einen Bus zu fahren.
Der Mediziner empfiehlt etwa sieben bis neun Stunden Schlaf pro Tag für Erwachsene. Kinder benötigten sogar zehn bis elf Stunden.
Auch Stress mindert die Leistungsfähigkeit deutlich. Vor Aufregung ein Black-Out, alles vergessen, was sorgsam einstudiert war? Eine Schweizer Studie bestätigt, dass Aufregung und Stress offenbar tatsächlich die Erinnerung beeinträchtigen. Ein Stresshormon wirkt dabei nicht, wie bisher angenommen, auf das Abspeichern der Informationen, sondern auf deren Verfügbarkeit.
Das Gedächtnis arbeitet in drei Phasen: Auf den Erwerb von Informationen folgt die Phase des Verdichtens und Speicherns, bevor die Information wieder abgerufen werden kann. Frühere Studien hatten gezeigt, dass das Hormon Cortisol, von den Nebennieren-Drüsen bei Stress ausgeschüttet, schlechtere Gedächtnisleistungen bewirken kann. Allerdings vermutete man bisher, dass es das Abspeichern behindert. Das Forscherteam um den Mediziner Dominique de Quervain an der Universität Zürich wies jetzt nach, dass das Hormon an anderer Stelle wirkt.
36 Testpersonen wurden gebeten, sich 60 Verben zu merken und möglichst viele davon direkt danach sowie 24 Stunden später wiederzugeben. Dazu bekamen sie eine Cortison-Tablette - im Körper rasch zu Cortisol umgebaut - entweder eine Stunde vor dem Lernen der Verben oder direkt im Anschluss. Beides hatte keinen Einfluss auf ihre Gedächtnisleistung. Deutlich messbar war hingegen die Cortison-Gabe eine Stunde vor dem Abrufen der Erinnerung: Die Ergebnisse fielen von durchschnittlich 17 erinnerten Verben auf durchschnittlich 11 - das Gedächtnis funktionierte "unter Stress" um rund ein Drittel schlechter, so der Bericht im Fachblatt "Nature Neuroscience" (April 2000, Bd.3, H.4, S.313-314).
De Quervain will nun untersuchen, welche möglichen Schäden das Gedächtnis durch Dauereinwirkung von Cortisol haben kann, wie es etwa bei chronischer Depression vorkommt. (bdw)