Was macht uns zu Individuen?

USS Nelame

Lieutenant
Ich finde in letzter Zeit ist hier im Forum nicht sehr viel los und außerdem habe ich mal wieder Lust auf ein kompliziertes Gesprächsthema :)

Was macht uns Menschen zu einem wirklichen Individuum, das sich selbst als PERSON bezeichenn kann, die einen eigenen Willen hat und diesen nicht von anderen beeinflussen lässt? Muss man dazu erst ein Aussenseite werden und eine verdrehte Weltansicht entwickeln, oder reichen kleinere Schritte, um sich von der "großen Masse" abheben zu können? Was meint ihr?
 
Bevor wir richtig in das Thema einsteigen, eine knappe Antwort:

Die Eigendefinition bestimmt sich in erster Linie durch die Abgrenzung von anderen.
Das soll nicht radikal gemeint sein, denn das Erkennen von Unterschieden gefährdet an und für sich soziale Verbindungen in keiner Weise.
Und diese Abgrenzung geschieht automatisch und wird einem quasi schon in die Wiege gelegt.
 
Es gibt ja die Theorie, dass man eigentlich keinen freien Willen hat, weil jede Ausrichtung durch Flüssigkeiten im gehirn zustande kommen.
Hast du von einer etwas etwas mehr, bist du z. B. religiös, wenn einer wenig hat, ist er Atheist.

Ich würde allerdings auf so was net allzuviel wert legen - immerhin, dass wir über solche Scahen nachdenken können ist schon ein zeichenw für den freien Willen.

Zum Thema:
Ich würde mal sagen, Nelame, dass es ziemlich leicht ist, sich von der großen Masse abzutrennen. Du musst nur eine Ansicht haben, die die anderen net verstehen und ruck zuck ist es passiert.
 
Also damit wir uns nicht falsch verstehen: Solche biologischen Zusatzinformationen sind ja recht nett, aber ich möchte im Moment doch lieber auf das soziale aus, ganz einfach weil man da mehr diskutieren kann :D ;)

Also ich sehe es z.B. schon gar nicht mehr so einfach, wie du hannibal. Man sieht heute jede Sekunde, dass solche Variationen im Denken durch die Masse wieder wett gemacht werden. Willst du deine Individualität behalten, musst du dich von anderen abgrenzen und zwar radikal, denn sonst kommen äußere Einflüsse, Gruppenzwang und manipulation und schon bist du wieder im alten Schema einer von der großen Masse. Ich vertrete den Standpunkt, dass man wirklich nur mit einem radikalen Selbstbewustsein, einer Kompromissbereitschaft die gleich null tendiert und einem hohen Maß an Mut ein Individuum werden kann. Nachdenken kann jeder, dies aber auch durchsetzen und vrtreten die wenigsten. Deshalb meine These: Trotz unserer individuell geprägten Gesellschaft ist das Individuum eine aussterbende Rarität.
 
Ich glaube hier verwechselst du ein wenig Individualität mit "Aus der Masse herausstechen". Natürlich agieren Menschen in vielen Belangen ähnlich, aber genauso gibt es Unterschiede. Man muss nicht alles anders machen, um ein Individuum zu sein. Es reicht schon aus, die Wahl zu haben, es anders zu machen.
 
Also fakt ist doch, dass man seine individualität nur ausleben kann, wenn man dafür gewaltige Abstriche in beinahe allen sozialen Sektoren macht. Hier heißt es doch "Gruppendynamik" oder Individualität. Sobald man mit anderen Menschen langfristig zusammen sein will, muss man sich auch so benehmen, wie es verlangt wird, egal ob es einem individuell passt oder nicht. Ich rede jetzt noch nichteinmal von Benehmen, weil das ja schon wieder eine Stufe höher ist. Belassen wir es erstmal bei Interaktion und innerer Einstellung, vielleicht auch Moral und Prioritäten. In vielen Umfeldern wird eine gewisse Kleiderform schon beinahe vorgeschrieben, sonst gillt man als Asylant. In anderen Gesellschaften muss man jedes Wochenende an einer Party teilnehmen, wenn man Freudne haben will. Desweiteren wird es als normal angesehen so früh wie möglich eine Bindung einzugehen um alles mitmachen zu können, was die anderen auch tun können. Alles ja schön und gut, wenn man nichts dagegen hat, aber wenn man nur einen dieser Punkte nicht erfüllen kann/möchte, dann wird man direkt schräg angesehen, ist ein Außenseiter oder wird als verrückt abgestempelt. Also bleibe ich bei meiner These, dass Individualität nur auf Kosten von sozialen Kontakten möglich ist, weil man erst dann eine These oder Lebenseinstellung frei entwickeln kann und nicht mehr aktiv von anderen beeiflusst wird.
 
Ich widerspreche deiner These, indem ich sage, dass man (teilweise) konform mit den Erwartungen der Gesellschaft sein kann und trotzdem eine individuelle Persönlichkeit hat/ist.

Es geht immer darum, einen Kompromiss zu finden.
Die Gesellschaft erwartet verschiedenes von dir:
Wie du schon erwähnt hast - manche erwarten reges Partyleben, manche erwarten Höflichkeit beim Job, andere erwarten ein Lächeln und einen Händedruck zur Begrüßung.
Wenn du nun diese Erwartungen addierst, die der Gesellschaft entsprechen, in der du verkehrst (ich weiss, dass es teilweise gegensätzliche Erwartungen sind - aber das ist jetzt mal egal) und ihnen entsprichst,
bist du dann kein Individuum mehr ?
Der Kompromiss besteht nun darin, deine eigenen Charaktereigenschaften mit denen der Gesellschaft abzugleichen und dann einen Mittelweg in deinen Handlungen zu finden.
Individuell bleibst du trotzdem.




Davon abgesehen muss man mal eine Unterscheidung machen:
nämlich zwischen dem Handeln, das von außen beobachtbar ist und den individuellen Charaktereigenschaften, die eine Persönlichkeit prägen.

Ich zum Beispiel bin zu vielen Leuten nett, obwohl ich sie ganz und gar nicht leiden kann.
Das magst du nun vielleicht Konformität nennen, und es ist zugegebenermaßen auch ein Eingeständnis an die Gesellschaft von mir, aber gewisse Handlungsspielregeln sind einfach nötig in unserer Gesellschaft.
Habe ich nun keine Individualität mehr weil ich so handle ?
Ich sage nein, denn es besteht immernoch ein Unterschied zwischen äußerer Handlung und innerer Einstellung.
 
Hm, ich kann mich hier eigentlich quasi fast nur wiederholen, hier gibt es ein Problem mit Begrifflichkeiten.
Nelame, was du meinst ist Selbstverwirklichung und nicht Individualität. Während es bei der Individualität darum geht, dass jeder etwas einzigartiges ist in seinem Wesen etc., geht es bei der Selbstverwirklichung darum, sich ausleben zu können, wie es einem gerade passt. Letzeres ist einer funktionierenden Gesellschaft natürlich nur eingeschränkt möglich. Trotz allen Einschränkungen bleibt man dennoch ein Individuum.
Um auf deine Beispiele einzugehen:

@Kleiderordnung
Gibt es tatsächlich, aber es liegt ja bei jedem einzelnen, ob er sich der Ordnung fügt, leicht abweicht, Akzente setzt oder sich widersetzt.

@Parties und Bindungen
Wo wird das erwartet? Hatte ich nie, brauchte ich nie, wollte ich nie. Und entsprechend lag mir auch nichts an der "Freundschaft" mit den Party- und Bindungswollern.

Der Punkt ist doch, dass man sich selbst für etwas entscheidet und das Für und Wider in sozialen Gruppen abwägen muss, inwieweit man bereit ist, für das Teilsein Kompromisse einzugehen. Wenn dir, so wie bei den Parties, nichts an diesen Voraussetzungen liegt, dann ist es höchstwahrscheinlich auch so, dass dir die Leute in dieser sozialen Gruppe nichts zu bieten haben. Es ist ja deine persönliche Entscheidung, welche Einschränkungen du für welche Vorteile in Kauf zu nehmen bereit bist. Diese Entscheidungen gehören zum Individualsein dazu.
 
Dieser ganze Gruppenzwang ist meiner Ansicht nach eh die Wurzel für den Verlust des Individuums - auch wenns bis zu diesem Punkt noch ein weiter Weg ist.
 
In dem Buch "Der Tod der menschlichen Gemeinschaft" wird das Thema unter die Lupe genommen.

Zitat:

Mit atemberaubender Geschwindigkeit sterben die uralten Verflechtungen und Bindungen der menschlichen Gemeinschaft, stirbt das Sozialgefüge. Kleinfamilien und Singlehaushalte, Verfall überkommener Wertvorstellungen, abnehmende Bedeutung der Nationalstaaten in einer globalen Welt, Lähmung der politischen Instanzen, Explosion der Medienvielfalt und ihre Macht über den Menschen führen zu einer stetig zunehmenden Isolierung des Menschen in der modernen Massengesellschaft. Das soziale Wesen Mensch fühlt sich nicht mehr geborgen und verkümmert emotional. Die Jugend wird orientierungslos. Die Schule in der heutigen Form kann den Mangel nicht ausgleichen. Die Zeit drängt. Der Weg zurück zu einer intakten Gemeinschaft ist schwierig.
Detlev Dränert analysiert in seinem Buch "Der Tod der menschlichen Gemeinschaft" das Geflecht der verworrenen Ursachen, zeigt Lösungswege auf.

Wer intersse hat, kann das Buch hier bestellen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
So wie ich das aufgrund des Textes verstehen kann, trifft das Buch den Nagel auf den Kopf.

Wir entwickeln uns immer mehr Richtung Desaster.
 
dwight schrieb:
Der Punkt ist doch, dass man sich selbst für etwas entscheidet und das Für und Wider in sozialen Gruppen abwägen muss, inwieweit man bereit ist, für das Teilsein Kompromisse einzugehen. Wenn dir, so wie bei den Parties, nichts an diesen Voraussetzungen liegt, dann ist es höchstwahrscheinlich auch so, dass dir die Leute in dieser sozialen Gruppe nichts zu bieten haben. Es ist ja deine persönliche Entscheidung, welche Einschränkungen du für welche Vorteile in Kauf zu nehmen bereit bist. Diese Entscheidungen gehören zum Individualsein dazu.


so einfach geht das aber nicht.

man kann sich nicht einfach für ein leben(sweg) entscheiden.
schon alein deswegen nicht, weil man kaum etwas über eine alternative kennt, ehe man sie nicht erlebt hat.
ebenso spielt die akzeptanz auch eine Rolle; wer garantiert einen, dass man in seinem "neuem leben" auch akzeptiert wird? schätzen und achten dich deine "neuen freunde"?

meist ist es doch so, dass wir selbst in verschiedene gruppen oder schichten gelenkt werden, ohne selbst etwas dafür oder dagegen zu tun.
Vielmehr unsere mitmenschen, der zufall und unsere vorraussetzungen(z.b. talente oder das aussehen) bestimmen unser Leben.
Nur die wenigstens menschen machen sich gedanken was sie eigentlich wollen.
ich finde, hier liegt der knackpunkt der individualität.
können wir uns unsere freunde und unser Umfeld wirklich bestimmen?
Vielmehr ist doch alles was wir machen eine reaktion auf etwas gegebene, nur selten tun wir etwas aus eigenem antrieb.
 
Was hat die Fähigkeit zur Individualität mit Akzeptanz zu tun? Man kann sich sehr wohl einfach für einen Lebensweg entscheiden. Wenn man die von anderen gesteckten Zwänge für sich als wichtig erachtet (z. B. Akzeptanz), dann ist das bereits eine solche Entscheidung. Das jeder einzelne unterschiedlichen Beeinflussungen ausgesetzt ist genügt ja (wie man leicht sehen kann) schon, dass sich unterschiedlich Interessen, Gruppen, Freundeskreise, etc. bilden.
Natürlich muss man selbst etwas dafür tun, man kann sich Individualismus nicht vorbeten lassen (dann wäre es ja keiner mehr).
Der Knackpunkt der Individualität liegt darin, dass es eben um die (kleinen) Unterschiede (die Unterscheidbarkeit) der Personen geht. Individualität mit Selbstverwirklichung oder vollständiger Abgrenzung zu Anderen gleichzusetzen ist einfach sachlich falsch. Natürlich mag es Menschen geben, die "mit der Masse schwimmen", aber was sagt das über die Fähigkeit zum Individualismus aus? Nur weil man sich die Möglichkeit zu Veränderungen oder zum Anderssein nicht gibt, ist man noch lange kein Teil eines Kollektivs.
 
dwight schrieb:
Man kann sich sehr wohl einfach für einen Lebensweg entscheiden.

hier nimmst du es dir aber zu leicht.
der mensch ist nicht so frei, wie es manche idealisten predigen.

wir können uns sicherlich einfach einen weg auswählen, aber ob wir ihn bestehen ist eine andere frage.
Oft sind die umstände dafür außerhalb unsere kompetenz.


um es mal konkret auf den punkt zu bringen und unserem beispiel zu folgen:
könnte sich ein außenseiter einfach zu einem "partymenschen" wandeln?
Würden ihn die menschen aus dieser "schicht" akzeptieren?
ist dieses leben wirklich sein wunsch? oder eher eine reaktion und wunschdenken auf ein "besseres" leben?

Wird man nun nicht akzeptiert,ginge man seinen neuen lebensweg allein.
also macht das auch keinen sinn.
 
Nochmal, da du die Frage anscheinend überlesen hast: was hat Individualismus mit Akzeptanz zu tun? Es geht hier nicht um Selbstverwirklichung oder darum, ob man geplante Ziele erreicht. Indivual sein heißt, seinen eigenen Weg gehen und finden, das kann von kleinen Details hin zu großen Unterschieden gehen. Es heißt aber nicht, dass man alle seine Vorstellungen und Wünsche auch umsetzen kann (oder will).
 
dwight schrieb:
was hat Individualismus mit Akzeptanz zu tun?
Das Problem (wenn ich das hier richtig sehe) ist, dass du zwar ein Individuum sein kannst, aber auch eine gewisse Akzeptanz von außen dazu gehören muss. Ist die nicht gegeben, ist die Wahrscheinlichkeit seine Individualität (oder meinetwegen auch Selbstverwirklichung) weider zu verlieren, viel höher. Und es kommt genau so vor (hab ich schon erlebt) dass man von außen einfach in eine Form gepresst wird, in eine Art "Individualität" (oder in diesem Fall wohl eher Persönlichkeit) die man in der Wirklichkeit gar nicht ist.
Ob es nun Selbstverwirklichung oder Individualität ist, über die wir reden, lasse ich einmal außen vor. Klar ist nur, dass man in dieser Gesellschaft angesehen sein muss, um etwas zu erreichen. Ändert man nun seine Einstellung, seine Gesinnung, seine nach außen hin sichtbare Abhebung von der Menge hat das in 90 Prozent der Fälle ungeahnte Folgen, weil dies einfach nicht akzeptiert wird. Man hat ja schon bereits eine Rolle, und die hat man gefälligst zu behalten, egal ob man diese persönlich gesehen annimmt oder ganz anders ist. Was uns zu angesehenen Personen macht, ist das mitschwimmen in der großen grauen Masse, wenn man das auf Kosten von individualität oder Selbstverwirklichung aufgibt, hat man zwangsläufig nichts mehr zu melden und das ist mein ursprünglicher Kritikpunt zu diesem Thema.

btw: Wir sollten vielleicht den Titel des Topics ändern, denn so viel hat unsere Diskussion ja nicht mehr mit individualität zu tun, viel eher mit Selbstverwirklichung.
 
USS Nelame schrieb:
btw: Wir sollten vielleicht den Titel des Topics ändern, denn so viel hat unsere Diskussion ja nicht mehr mit individualität zu tun, viel eher mit Selbstverwirklichung.
Ei sug bereits :)
 
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