M
Max
Guest
Der Trick
»Bin ich wach?«
»Ja.« Sie verzieh ihm die dumme Frage.
»Ist das...?« fragte er, die Augen zusammenkneifend und voll Schwäche und Müdigkeit kaum in der Lage, auf einen Bildschirm zu zeigen.
»Ja«, antwortete sie.
Die Anzeigefläche war fast vollständig schwarz und wäre der Aufwachraum nicht verdunkelt gewesen, so hätte sich die kleine Scheibe aus blassen, grauen Lichtreflexen vor dem Hintergrund gar nicht abgehoben.
Da erklang in der Steuerzentrale ein Signalton, unmissverständlich, so enervierend. Eva verschwand mit den Worten, sie müsse den Alarm abstellen, einen Weckruf, den sie aktiviert hatte, um nicht Gefahr zu laufen, ihrer Restmüdigkeit nach dem Kälteschlaf zum Opfer zu fallen.
Er lag immer noch auf seiner Pritsche. Erst nachdem einige Sekunden vergangen waren, spürte er die Gurte, die seinen Leib festhielten. Er hätte rufen und darum bitten können, sie zu lösen. Vermutlich hätte es nach der Rückkehr Evas bereits ausgereicht, sich zu räuspern, um darauf aufmerksam zu machen. Er schwieg und ließ nach der Anspannung seiner Muskeln den Oberkörper langsam wieder zurück sinken. Mit geschlossenen Augen dachte er nach und das beständige Rauschen der Luftumwälzer und Kühlaggregate verschwamm bald zu einem undifferenzierbaren Klangteppich, ehe er auch diese Eindrücke verlor und ganz und gar in seine Gedankenwelt hinabtauchte.
Er glaubte sich an einen Traum aus dem Kälteschlaf erinnern zu können, doch die Fetzen, die er sich zurück ins Gedächtnis zu holen mühte, widerstanden der Wirklichkeit nicht. Nur fünf Sätze hatten Eva und er seit seinem Erwachen gewechselt, und doch formten diese Fragmente einer menschlichen Unterhaltung immer neue Zusammenhänge, dehnten sich, als seien die vergangenen Minuten eine Zusammenfassung der Tage, Wochen, Monate und Jahre, in denen für die beiden Astronauten in der Rakete in Wahrheit nichts geschehen war.
»Hier, nimm die rote, Stärkung des Metabolismus. Die gelbe vielleicht erst in ein paar Minuten«, sagte Eva. Er hatte ihre Rückkehr ebenso wenig bemerkt wie das Lösen der Haltegurte. Sein Körper schwebte nun einige Millimeter über der Bettauflage.
»Gib mir die violette auch jetzt gleich«, meinte er schließlich, nachdem er ihrer Anweisung gefolgt war. Eva verstand es als Scherz, doch der Blick auf ihren eigenen Medikamentenschuber machte sie betroffen. Nach ihrem Erwachen hatte sie den Einnahmeplan nach Vorschrift eingehalten und nur vor den Antidepressiva innegehalten. Erst als Eva ihr störrisches Verhalten aufgefallen war, hatte sie sich besonnen und die violette Tablette geschluckt.
Als sich beide in der Steuerzentrale zusammen gefunden hatten, bereitete Eva die bislang vorhanden Informationen auf.
Die Rakete befand sich immer noch auf dem vorberechneten Kurs. Ihre Vorhut, eine Sonde, die aufgrund der nötigen Antriebssysteme annähernd die selben Ausmaße vorweisen konnte wie das Hauptraumschiff, lotete dabei verlässlich die Wegstrecke nach Gefahren aus. Sie erfüllte aber noch einen weiteren Zweck, denn indem sie die Umgebung nach Anomalien absuchte, oblag es ihr auch, Missionsziele neu oder umzudefinieren, falls eine eingehendere Untersuchung durch die Mannschaft sinnvoll erschien. Ein derartiger Fall, der eher theoretische als realistische Option gewesen zu sein schien, war nun eingetreten. Die Sonde war an einem Planetensystem vorbei geflogen, in dem eine starke Quelle elektromagnetische Wellen funkte. Die Signale wurden geprüft, ihre Muster mit hoher Wahrscheinlichkeit einem nicht natürlichem Ursprung zugerechnet. Nach der Analyse entschied die Sonde, den Kurs der Hauptrakete anzupassen und die Mannschaft aus ihrem Kälteschlaf zu erwecken.
»Kann alles mögliche sein«, wertete er, dicht über den leise knackenden Lautsprechern gebeugt.
»Eben.«
Er vermochte ihre Euphorie nicht vorbehaltlos zu teilen. Nach dem ersten Studium der Daten konnte er nicht anders, als ernüchtert zu reagieren. Sie bemerkte das wohl, ohne die bei ihm zugrunde liegende Angst vor Enttäuschung bewusst erkannt zu haben. Die Berichte und Aufzeichnungen versah sie nun mit aufmunternden Kommentaren.
»Wir haben noch nicht mal ein Tausendstel der Speichersätze begutachtet. Nach diesen bisherigen Ergebnissen hätte die Sonde wohl noch nicht reagiert.«
Er benötigte den Perspektivwechsel, weg vom akustischen, hin zum optischen Rauschen auf einem Navigationsmonitor, der den Zielplaneten trotz aller technischen Anstrengung immer noch lediglich in eine zittrige Scheibe hellgrauer Bildpunkte verwandeln konnte. Ein Quietschen riss seinen Blick zurück.
»Was war das?«
»Ein Ausschlag«, antwortete Eva. Sie betätigte die Kontrolltasten, um den eben vernommen Aufzeichnungsabschnitt erneut abspielen zu lassen. Beide hörten gebannt zu, er schloss sogar die Augen. Unvermittelt löste sich aus dem Hintergrund der Töne, die so klangen, als prassele beständiger Regen gegen Metallbögen, eine schrille Spitze, die abebbte, ohne völlig in den Restklängen aufzugehen. Erst nach fast zwei Minuten einigten sich beide darauf, keine signifikanten Muster mehr wahrnehmen zu können, doch der nächste Ausschlag ließ nicht einmal eine Viertelstunde auf sich warten.
Schließlich schaltete er die Aufzeichnung ab.
»Bin ich wach?«
»Ja.« Sie verzieh ihm die dumme Frage.
»Ist das...?« fragte er, die Augen zusammenkneifend und voll Schwäche und Müdigkeit kaum in der Lage, auf einen Bildschirm zu zeigen.
»Ja«, antwortete sie.
Die Anzeigefläche war fast vollständig schwarz und wäre der Aufwachraum nicht verdunkelt gewesen, so hätte sich die kleine Scheibe aus blassen, grauen Lichtreflexen vor dem Hintergrund gar nicht abgehoben.
Da erklang in der Steuerzentrale ein Signalton, unmissverständlich, so enervierend. Eva verschwand mit den Worten, sie müsse den Alarm abstellen, einen Weckruf, den sie aktiviert hatte, um nicht Gefahr zu laufen, ihrer Restmüdigkeit nach dem Kälteschlaf zum Opfer zu fallen.
Er lag immer noch auf seiner Pritsche. Erst nachdem einige Sekunden vergangen waren, spürte er die Gurte, die seinen Leib festhielten. Er hätte rufen und darum bitten können, sie zu lösen. Vermutlich hätte es nach der Rückkehr Evas bereits ausgereicht, sich zu räuspern, um darauf aufmerksam zu machen. Er schwieg und ließ nach der Anspannung seiner Muskeln den Oberkörper langsam wieder zurück sinken. Mit geschlossenen Augen dachte er nach und das beständige Rauschen der Luftumwälzer und Kühlaggregate verschwamm bald zu einem undifferenzierbaren Klangteppich, ehe er auch diese Eindrücke verlor und ganz und gar in seine Gedankenwelt hinabtauchte.
Er glaubte sich an einen Traum aus dem Kälteschlaf erinnern zu können, doch die Fetzen, die er sich zurück ins Gedächtnis zu holen mühte, widerstanden der Wirklichkeit nicht. Nur fünf Sätze hatten Eva und er seit seinem Erwachen gewechselt, und doch formten diese Fragmente einer menschlichen Unterhaltung immer neue Zusammenhänge, dehnten sich, als seien die vergangenen Minuten eine Zusammenfassung der Tage, Wochen, Monate und Jahre, in denen für die beiden Astronauten in der Rakete in Wahrheit nichts geschehen war.
»Hier, nimm die rote, Stärkung des Metabolismus. Die gelbe vielleicht erst in ein paar Minuten«, sagte Eva. Er hatte ihre Rückkehr ebenso wenig bemerkt wie das Lösen der Haltegurte. Sein Körper schwebte nun einige Millimeter über der Bettauflage.
»Gib mir die violette auch jetzt gleich«, meinte er schließlich, nachdem er ihrer Anweisung gefolgt war. Eva verstand es als Scherz, doch der Blick auf ihren eigenen Medikamentenschuber machte sie betroffen. Nach ihrem Erwachen hatte sie den Einnahmeplan nach Vorschrift eingehalten und nur vor den Antidepressiva innegehalten. Erst als Eva ihr störrisches Verhalten aufgefallen war, hatte sie sich besonnen und die violette Tablette geschluckt.
Als sich beide in der Steuerzentrale zusammen gefunden hatten, bereitete Eva die bislang vorhanden Informationen auf.
Die Rakete befand sich immer noch auf dem vorberechneten Kurs. Ihre Vorhut, eine Sonde, die aufgrund der nötigen Antriebssysteme annähernd die selben Ausmaße vorweisen konnte wie das Hauptraumschiff, lotete dabei verlässlich die Wegstrecke nach Gefahren aus. Sie erfüllte aber noch einen weiteren Zweck, denn indem sie die Umgebung nach Anomalien absuchte, oblag es ihr auch, Missionsziele neu oder umzudefinieren, falls eine eingehendere Untersuchung durch die Mannschaft sinnvoll erschien. Ein derartiger Fall, der eher theoretische als realistische Option gewesen zu sein schien, war nun eingetreten. Die Sonde war an einem Planetensystem vorbei geflogen, in dem eine starke Quelle elektromagnetische Wellen funkte. Die Signale wurden geprüft, ihre Muster mit hoher Wahrscheinlichkeit einem nicht natürlichem Ursprung zugerechnet. Nach der Analyse entschied die Sonde, den Kurs der Hauptrakete anzupassen und die Mannschaft aus ihrem Kälteschlaf zu erwecken.
»Kann alles mögliche sein«, wertete er, dicht über den leise knackenden Lautsprechern gebeugt.
»Eben.«
Er vermochte ihre Euphorie nicht vorbehaltlos zu teilen. Nach dem ersten Studium der Daten konnte er nicht anders, als ernüchtert zu reagieren. Sie bemerkte das wohl, ohne die bei ihm zugrunde liegende Angst vor Enttäuschung bewusst erkannt zu haben. Die Berichte und Aufzeichnungen versah sie nun mit aufmunternden Kommentaren.
»Wir haben noch nicht mal ein Tausendstel der Speichersätze begutachtet. Nach diesen bisherigen Ergebnissen hätte die Sonde wohl noch nicht reagiert.«
Er benötigte den Perspektivwechsel, weg vom akustischen, hin zum optischen Rauschen auf einem Navigationsmonitor, der den Zielplaneten trotz aller technischen Anstrengung immer noch lediglich in eine zittrige Scheibe hellgrauer Bildpunkte verwandeln konnte. Ein Quietschen riss seinen Blick zurück.
»Was war das?«
»Ein Ausschlag«, antwortete Eva. Sie betätigte die Kontrolltasten, um den eben vernommen Aufzeichnungsabschnitt erneut abspielen zu lassen. Beide hörten gebannt zu, er schloss sogar die Augen. Unvermittelt löste sich aus dem Hintergrund der Töne, die so klangen, als prassele beständiger Regen gegen Metallbögen, eine schrille Spitze, die abebbte, ohne völlig in den Restklängen aufzugehen. Erst nach fast zwei Minuten einigten sich beide darauf, keine signifikanten Muster mehr wahrnehmen zu können, doch der nächste Ausschlag ließ nicht einmal eine Viertelstunde auf sich warten.
Schließlich schaltete er die Aufzeichnung ab.