Tatsächlich fand ich die Folge ganz interessant, sie fühlte sich sogar teilweise nach Star Trek an - allerdings hauptsächlich die Szenen an Bord der Discovery. Wenn Lorca nicht an Bord ist, fühlt sich das Schiff echt ganz annehmbar an. Neben dem Gefühl müsste jetzt noch die Ratio folgen.
Entsprechend muss man leider wieder negativ anmerken, dass die Serie auf Seite der Darlegung der Motivation bisher noch klar unten durchfällt: Wie üblich darf sich mal wieder jemand (hier Mudd) äußern, warum die Klingonen angeblich recht haben mit ihren Handlungen. Das an sich wäre eine gute Idee für eine vielseitige Betrachtung. Das Problem (abgesehen davon, dass die Klingonen-Motivation extrem platt ist) ist: Wie üblich kommt von unseren Protagonisten keine sinnvolle Erwiderung. Eine vielseitige Betrachtung benötigt aber - das merkt man schon an dem Wort vielseitig - eine Betrachtung von mehr als einer Seite. Das Fehlen der Artikulierung der Protagonisten hat schon bei Abrams Trek endlos genervt... Der Antagonist schildert seine Motivation und AbramsKirk erwidert nur: "Du bist doof, ergib' Dich oder stirb!" Wie wäre es denn mal, wenn man These UND Antithese präsentiert!
Bei all den Fehlern und Fehlerchen, die Discovery bisher gemacht hat und macht, ist das der fundamentalste. Es vermittelt das dumme Bild, dass die Protagonisten einfach unreflektiert für ihre Seite kämpfen, eben weil es ihre Seite ist - eine übele faschistische Einstellung. Man sieht nicht, wie sie ihre Ziele hinterfragen, man sieht nicht wie sie darüber diskutieren, man sieht nicht mal, wie sie dafür argumentieren. Diskutiert wird höchstens über die Mittel (was ja dann auch zu Burnhams dümmlicher Meuterei geführt hat), aber eben nicht das Ziel. Stattdessen lässt man nur die Antagonisten sprechen und tritt ihnen dann im Kampf entgegen.
Garniert wird das ganze dann mit dummen, naiven Sprüchen von unserer Protagonistin im Trailer wie dass die hehren Ideale der Föderation die Föderation nicht vor T'Kuvma schützen könnten - also eben kurzsichtige Sprüche, die als Propaganda auch von rechtskonservativen Innenministern immer gerne verwendet werden, wenn sie eine weitere Beschränkung der Menschen-/Bürgerrechte wie Vorratsdatenspeicherung oder Einsatz von Folter durchsetzen wollen.
Noch dümmer ist es, weil eben diese hehren Ideale wie die Zusammenarbeit unabhängig von kulturellen und biologischen Unterschieden für die Föderation tatsächlich die einzige Chance sind, um z. B. gegen die Klingonen bestehen zu können. Die Menschen alleine oder Andorianer alleine oder wer auch immer hätten nicht den Hauch einer Chance. Und dennoch werden uns hier die Ideale, die Star Trek groß gemacht haben, dreisterweise als Schwäche präsentiert, die man sich nicht immer leisten könne, anstatt als das, was sie wirklich sind: eine Stärke und die beste Chance, zu überleben und gut zu leben.
An dieser Front muss Discovery ansetzen, wenn man es ernst nehmen soll. Wenn sie es nicht hinbekommen, die Zielsetzung der Protagonisten begründet zu artikulieren, kann man die Serie auch einfach in die Tonne kloppen. Und wenn sie dann bei der Artikulierung nicht die Ideale von Star Trek positiv argumentativ einbringen, handelt es sich definitiv nicht um eine Star Trek-Serie.
Absurditäten:
- Lorca hat sein Schiff (die USS Buran) mit allen an Bord (außer ihm selbst!?) in die Luft gejagt; dennoch kriegt er das Kommando über das wohl wichtigste Projekt überhaupt inklusive umfassender Freiheit bei der Art der Kriegsführung!? Mist, ist also doch Abrams Trek. Der größte Depp kriegt die größe Belohnung!
- Das Klingonenschiff ist angeblich ein D7-Schlachtkreuzer... offensichtlich eine glatte Lüge! Warum baut man so vollkommen unnötige Canon-Brüche ein? Man hätte dem Schiff einfach einem neuen Typen zuordnen können und niemand könnte sich wirklich beschweren (außer, dass das neue Design keinen Wiedererkennungswert hat; wenn das Schiff in der nächsten Folge wieder auftaucht, werde ich es eher nicht erkennen). Aber nein, die Autoren müssen unbedingt behaupten, dass wir da etwas sehen sollen, was es nicht ist. Das ist einfach dumm! Bei der "Modernisierung" haben sich alle bisherigen Star Trek-Serien einfach sehr viel klüger angestellt. Gerade bei dem vorliegenden Budget ist der vorliegende Dilettantismus hier vollkommen unverständlich!
- Wenn es einen Captain gibt, den man auf der Liste der höchstdekorierten Captains bis 2256 erwartet hätte, dann ist es Garth von Izar. Zu dem Zeitpunkt sind seine Taten bereits seit Jahren Pflichtstoff an der Akademie und Inspiration für alle Offiziersanwärter. Stattdessen findet sich Matthew Decker in der Liste, eine interessante Wahl, wenn man bedenkt, dass er nur drei Jahre älter ist als Burnham und - sofern man sich an die "Kirk war (zu seiner Zeit) der jüngste Captain bis dato" ernst nimmt, dürfte Decker zur Handlungszeit von Discovery vielleicht gerade so eben zum Captain ernannt worden sein... oder deutlich älter sein als er aussieht (und sein Darsteller ist).
- Als Lorca zum Verhör abgeholt wird: Dafür, dass der zweite Klingone absichern soll, dass die anderen Gefangenen keinen Mist bauen, wendet er ihnen beim Herausgehen bei offener Tür unglaublich lange den Rücken zu.
- Oh nein, sie haben "fucking" gesagt - oder im Deutschen: "Scheiß". Erinnert mich sehr an die South Park-Folge über Fluchworte. Ziemlich unnötig, macht Tillys Charakter jetzt auch nicht gerade besser, aber auf jeden Fall die Aufregung nicht wert. Das scheint in den USA wohl trotzdem etwas ganz besonderes zu sein. Das hätte man sich auf jeden Fall sparen können.
- L'Rell weiß, dass die Discovery im Corvan-System aus dem nichts aufgetaucht und wieder verschwunden ist... Dann müssen da wohl doch Klingonen das Manöver überlebt haben. Ich fürchte, dass es sich hier um ein Autismus-Problem der Autoren handelt (fehlende Level 1-Perspektivenübernahme) - es ist nicht die erste Stelle, wo offenbar alle Beteiligten alles wissen, was der Zuschauer weiß. Vielleicht haben sie sich aber auch bloß das Instant-Video gesichert und vorgespult.[1]
- Zuerst hatte ich mich bei der Meldung der Admiral an die Discovery auch gewundert, dass die Admiral so genau wusste, was passiert ist (Lorca entführt, Pilot getötet). Sie sagt dann aber, dass das Shuttle einen entsprechenden Notruf abgesetzt habe. Das kann man dann wohl akzeptieren.
- Lorca scheint anzudeuten, dass Menschen und Klingonen sexuell nicht kompatibel seien.
- "Da sind VIER Lichter!"... Chance verpasst... es waren leider nur drei.
- Lorca sagt, er habe Worte gestreut, um sie dann im Verhör wiederzuerkennen. Wir haben tatsächlich nur Geist/Ghost gehört. Ob Lorca wohl im Verhör auch gemerkt hat, dass L'Rell offenbar über sehr viel tiefergehende Informationen (Corvan) verfügt und seine Entführung offensichtlich alles andere als ein Zufallstreffer war?
- Irgendwie kann die Discovery aus Lichtjahren Entfernung den "Schlachtkreuzer" identifizieren, auf dem Lorca ist... mit der Sensoren-Technik bräuchte man eigentlich nicht mal den Sporen-Antrieb, um zu gewinnen; scheinbar kann die Discovery ja alle Flottenbewegungen der Klingonen im Quadranten direkt sehen (und Personen an Bord scannen?). Mit dem Wissensvorsprung sollte der Sieg doch ein Leichtes sein.
- Der D7-Schlachtkreuzer scheint in dieser Realität auch ein "Bird of Prey" zu sein.
- Die CGI sieht irgendwie irreal aus... z. B. das Entwässern des Tardigraden
- Nun hat auch Saru den D7 als "klingonisches Gefängnisschiff" bezeichnet, ein Term, den vorher Mudd verwendet hat. Wieder Autoren-Autismus? Wenn Lorca das gehört hätte (was er nicht hat), müsste er jetzt den gleichen Schluss wie oben ziehen: Mudd spioniert nicht nur für die Klingonen, sondern auch für Saru.
- Ganz generell finde ich es sehr merkwürdig, dass die Schiffsbezeichnungen in der Serie letztlich alle einfach durcheinander geworfen werden bzw. offenbar alle synonym verwandt werden.
- Die Spiegel-Szene am Ende ist was Schönes für einen Horrorfilm, hier fand ich es dann eher unpassend... und da es mit einem Spiegel zu tun hat, wird damit offenbar die Einleitung für die Spiegeluniversums-Folge gelegt. Auf die Folge, in der das Spiegeluniversum vorkommt, freue ich mich absolut nicht. Das ist ja wieder ein vorprogrammierter Canon-Bruch. Es sei denn, sie machten es wie in ENT, dass die Folge komplett im Spiegeluniverum spielt ohne Verbindung zur Hauptgeschichte. Das ergibt aber bei dem gewählten Format der durchgehenden Staffelhandlung überhaupt keinen Sinn.
allgemein:
- Die Discovery ist ein taufrisches experimentelles Forschungsschiff, dennoch liegt Ihre Registrierungsnummer niedriger als jede der schon viele Jahre zuvor heillos veralteten Shenzhou. Das muss wohl bedeuten, dass die Idee, die Discovery zu bauen bereits sehr lange zurückreicht (wohl mindestens bis in die 20ger Jahre), aber erst nun wirklich zustande gekommen ist.
- Das AußenDesign der Föderationsschiffe finde ich ganz in Ordnung, auch die Discovery sieht mittlerweile ganz ok aus, die Klingonenschiffe sind hingegen ziemlich misslungen: die Schlachtkreuzer im Prolog sahen allenfalls wie Jäger aus, das Insektendesign der Jäger aus der aktuellen Folge sagt mir nicht wirklich zu und den angeblichen D7 aus der aktuellen Folge würde ich wohl gar nicht erst wiedererkennen.
- Positiv finde ich, dass die Handlung bisher einigermaßen odentlich gegliedert ist: bisher ist jede Episode als solche eine eigenständige Einheit, welche sich in den größeren Zusammenhang einfügt - statt das wir hier einfach einen recht willkürlichen zerhackten 15-stündigen Film präsentiert bekämen.
Live long and prosper,
Vulcan
[1]